Wort der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum ersten Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023
Die Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern gedenkt der Opfer des Terrorangriffs der Hamas vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, und ruft zum Widerstand gegen Judenhass auf. Sie betont die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs und die Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft. Dabei erinnert die Landeskirche an ihre historische Verbindung zum jüdischen Volk und fordert ihre Gemeinden auf, aktiv Kontakte zu jüdischen Menschen zu pflegen und sie zu unterstützen. Nachfolgend das „Wort der Landeskirche“ im Wortlaut:
„Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an.“ (Sacharja 2,12)
Am 7. Oktober 2023 verübte die Terrororganisation Hamas das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Bei ihrem Angriff töteten sie zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten, begingen schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern gedenkt am Jahrestag der Opfer und ruft ihre Gemeinden zur Anteilnahme und zum entschiedenen Widerstand gegen jede Form von Judenhass auf.
Der 7. Oktober 2023 markiert einen tiefen Einschnitt für Jüdinnen und Juden weltweit: Die israelische Gesellschaft und die jüdische Gemeinschaft insgesamt sind traumatisiert. Mit dem Massaker ist ihr Gefühl der Sicherheit verschwunden. Denn der Staat, zu dessen Selbstverständnis es gehört, Juden vor Verfolgung zu schützen, konnte diese Katastrophe nicht verhindern. Angst und Depression breiten sich aus. Die Sorge um die rund 100 entführten Geiseln ist quälend. Gleichzeitig erleben Jüdinnen und Juden weltweit, auch in Deutschland, eine neue Welle von Bedrohungen und Gewalt.
Der Krieg in Gaza ist furchtbar. Wir beklagen die vielen Toten, die Verletzten an Leib und Seele, die Not, die Trauer, die Angst und die Verzweiflung der Menschen dort. Wir hoffen und beten, dass die Waffen schweigen. In dieser schwierigen Zeit ist es unsere Aufgabe, den Dialog der Religionen zu stärken. In unserer Gesellschaft leben neben christlichen und jüdischen Gläubigen auch viele Menschen muslimischen Glaubens. Die große Mehrheit von ihnen will friedlich miteinander leben. Der Dialog fördert das gegenseitige Verständnis und beugt Feindbildern vor.
Die Kirchen in Deutschland bemühen sich seit Jahrzehnten um eine Erneuerung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden. So bezeugt auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern im Grundartikel ihrer Kirchenverfassung die bleibende Treue Gottes zum jüdischen Volk in aller Welt. Wörtlich heißt es: „Mit der ganzen Kirche Jesu Christi ist sie (die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern) aus dem biblischen Gottesvolk Israel hervorgegangen und bezeugt mit der Heiligen Schrift dessen bleibende Erwählung.“
Über Jahrhunderte hat das Christentum dies ignoriert und sich über antijüdische Feindbilder definiert. Der Weg zu einem Neuanfang in den jüdisch-christlichen Beziehungen hat die Kirchen an die bleibende Erwählung des Gottesvolks Israel erinnert. Es gehört zum Wesen der Kirche und zur christlichen Pflicht, am Weg des jüdischen Volkes Anteil zu nehmen. Wir stehen in einer jüdisch-christlichen Weggemeinschaft, die in Verlässlichkeit, Freundschaft und Beistand gründet. Gerade in der gegenwärtigen Situation muss und kann sich diese Weggemeinschaft bewähren.
Wir erinnern alle Gemeinden an diesen Auftrag der Kirche und bitten sie, ihn zu verwirklichen: Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, Besuche zu machen, sich zu melden – Seite an Seite mit Menschen jüdischen Glaubens zu gehen.
München, 4. Oktober 2024
Christine Büttner, Pressesprecherin